Meine Schule wäre eine – wie es schon manche davon gibt – wo neue Lernformen eingeführt würden. Eine, in welcher die Lehrer mehr zu Begleitern würden. So etwas führt zu selbstwirksamen Entscheidungen, wo sich das Kind dann nicht mehr in einer Art Bittsteller-Rolle sieht, sondern als Teil einer lebendigen Gesellschaft, denn: Ein selbstwirksames Leben zu leben bedeutet für mich zu jedem Zeitpunkt im Hier und Jetzt zu sein – und nicht andauernd getrieben durch Schuld und Scham.
Und ich glaube immer weniger an ein Gebäude als Schule. Ich sehe da immer mehr eine Art „großen Dorfplatz“ vor mir mit Riesen-Stationen … einen Ort, der aber auch nicht aufhört. Also: wenn du 34 bist und wieder Fragen zum Leben hast, dann gehst du wieder dort hin. Es wäre kein Ort, wo die 12-Jährigen in einer Ecke und die 16-Jährigen in einer anderen Ecke sitzen würden, sondern da kommen Menschen zusammen, die sich im Leben einfach immer wieder die wesentlichen Fragen stellen wollen.
Und in meiner Schule der Zukunft würde „Gemeinschaft“ das wichtigste Wort werden. Die Schule der Zukunft wäre für mich eine Gemeinschaft von Menschen, deren großes Ziel es ist, dass sie ein Gemeinwohl für alle hat. Es wäre für mich also weniger ein Gebäude als die Auslegung einer Gesellschaftsform.
Ich schätze da auch Länder, die innovativer sind. In England gibt es ein Unterrichtsfach, das heißt „Achtsamkeit“, in den nordischen Ländern investiert man viel in die Elementarpädagogik, hat man für das Alter ganz kleine Gruppen, weil man weiß, dass die kleinen Kinder die Rohdiamanten sind …
Meine Eltern haben mich nie gebremst. Die haben gesagt, ich soll alles hinterfragen, ich soll rebellisch sein. Die haben immer gesagt: egal, was deine Lehrer sagen – du bist gut genug, du schaffst das schon, du machst das schon. Wenn ich mit einem Vierer nach Hause gekommen bin, hat meine Mutter immer gesagt: Ach, zum Glück habe ich einen Sohn, der normal ist.
Für mich hat Bildung nichts mit der aktuellen Schule zu tun, denn dort wirst du nur darauf vorbereitet, in einem Büro wieder das zu tun, was andere dir sagen … Die Arbeitswelt, die nimmt keine Rücksicht auf die Bildungswelt! Schau dir die Automatisierung an, die da kommt, die ganzen Roboter. Früher ist erzählt worden: Wenn du brav die Matura machst, dann hast du es geschafft! Wenn einer heute Matura hat, klassisch, wenn der nicht selbstständig denkt, sondern Befehlsempfänger ist wie in der Schule gelernt, ganz ehrlich – mit dem kannst du in zehn Jahren am Arbeitsmarkt nichts mehr anfangen, weil du die kreativen, selbstschöpferischen Menschen brauchst.
Ich glaube, dass wir in zehn Jahren einen kompletten Wandel haben werden. Es ist prognostiziert, dass es 65 Prozent der Jobs, die wir in zehn Jahren haben werden, heute noch gar nicht gibt. Wir erkennen erst langsam die Tendenz. Beim Flughafen Frankfurt checkst du dein Gepäck selber ein. Rechtsanwälte? Es gibt mittlerweile Software-Algorithmen, die bessere Verträge ausarbeiten als jeder Anwalt.
Und wie schafft man es aber, Menschen auf so eine Welt vorzubereiten, wo wir die Fragen der Zukunft nicht mehr beantworten können? Weil wir merken: Wir sind keine Experten der Zukunft!
Das schafft man nur, indem man den Menschen klar macht, was ihre Stärken sind, indem sie diese selber entdecken, indem man den Menschen die Zuversicht gibt, im Hier und Jetzt bewerten zu können, was da draußen passiert – aus der EIGENEN Wahrnehmung heraus und nicht beruhend auf dem, was andere sagen. Denn dann kann die Welt da draußen sich verändern. Wenn man in seiner Selbstwirksamkeit, in seiner inneren Stärke dasteht, kann um einen herum alles passieren …
Es ist auch eine sehr fragile Welt geworden und ich bin sehr dankbar, dass das endlich so ist, weil dieses Sicherheitsnetz der letzten Jahrzehnte – lebenslanger Job, der Arbeitgeber kümmert sich und dann kommt der Staat – das ist eine Selbstlüge unserer Welt, die niemals halten konnte. Und immer mehr Leute werden sich die Frage stellen: Shit – kann es sein, dass die wesentlichen Dinge, die unser Bildungssystem ständig propagiert, dann gar nicht mehr gelten? Was ist da los? Und in Kombination mit den Veränderungen in der ganzen Welt wird man plötzlich merken: Wir brauchen ein NEUES Bildungssystem, eines das dich nicht für Kompetenzen, die du scheinbar brauchst, ausbildet, sondern eines, das dich in deinen inneren Stärken ausbildet, damit du mit diesen Veränderungen da draußen umgehen kannst.
Ich gehe immer ganz stark von dem System aus, wie ich als Kind die Schule erfahren habe. Weil ich stotterte und Angst vor der Matura hatte, brach ich sechs Monate vor dem Abschluss die HTL ab. Da hieß es dann ganz schnell: Oje, Flüchtlingskind, und jetzt auch noch die Schule hingeschmissen – das kannst du vergessen! Danach jobbte ich in meinem Leben in über 40 verschiedenen Jobs, vom Bauarbeiter über Apothekenaushilfe bis hin zum Unternehmensberater, habe berufsbegleitend die Matura nachgeholt und dann studiert – ein reiner Zick-Zack-Kurs. Und ich erinnere mich – wenn ich nach dem Schulabbruch mit Bildungsexperten über meine Interessen mit den Menschen gesprochen habe, haben die immer gesagt: Nein, so macht man keine Karriere, nein, so geht das nicht! Ali, hast du schon einmal jemanden gesehen, der das so und so macht? Darauf habe ich immer gesagt: Dann bin ich der Erste!
Ali Mahlodji, Mitgründer von „whatchado“ und Unternehmer mit 50 Leuten, EU-Jugendbotschafter, Keynote-Speaker.